Nachdem ich schon Ende August mit der Leiterin den Jugendclub Theaters Iris Limbarth über die Einstudierung von 42nd Street gesprochen hatte, konnte ich mir das Stück nun endlich selbst ansehen und mir ein Bild von den jungen Wiesbadener Talenten machen. Und viel Talent haben sie ohne Zweifel!
42nd Street, aus der Feder von Harry Warren (Musik), Al Dubin (Texte) und Michael Stewart (Buch), entstand in den 1980iger Jahren und ist die Adaption eines Musikfilmes von 1933. Sie entführt uns in das New York dieser Zeit, in die frühen Tage des Broadways, in denen die dort aufgeführten Shows noch ganz im Zeichen des Stepptanzes standen. Sie gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen der Theaterhauptstadt im Nachgang der großen Depression. Dort treffen wir auf eine Gruppe ambitionierter, junger Tänzer, die auf der Suche nach einer Anstellung sind, auf den berühmten Regisseur Julian Marsch, der mit seiner neuen Produktion ‚Pretty Lady' unbedingt einen Erfolg landen muss, und auf Peggy Sawyer, die Neue in der Stadt, die zwar zu spät zum Vortanzen kommt, auf Grund ihres Charmes und vor allem ihres Talentes doch noch einen Platz im Ensemble von ‚Pretty Lady' ergattert. Entscheidend für den Erfolg eines Broadway Musicals ist aber oft, damals wie heute, ein Star in der Hauptrolle. Dorothy Brock hat zwar lange keine großen Erfolge mehr gefeiert, aber sie hat einen Namen im Geschäft und einen reichen Kavalier, der für die nötige Finanzspritze sorgt... auch wenn für seine Zufriedenheit die Liebesgeschichte der Show in der Show etwas umgeschrieben werden muss. Als sich Dorothy jedoch kurz vor der Premiere schwer verletzt steht ‚Pretty Lady' vor dem Aus.
Getragen von der beschwingten, optimistischen Musik von 42nd Street nimmt uns das Jugendclub Theater mit auf eine Reise in die Vergangenheit, auch wenn wir sehr bald feststellen, dass die aufgeführten Probleme wohl universell und gerade heute sehr relevant sind. Die Tänzer berichten von zu hohen Mieten und zu wenig Lohn bei unsicheren Arbeitsbedingungen. Julian und Dorothy werden wiederholt vor die Entscheidung gestellt in wie fern sie ihre künstlerischen und menschlichen Ansprüche einschränken können und wollen um die Geldgeber nicht zu verärgern. Doch keiner lässt sich davon den Spaß verderben, und es wird gesteppt was das Zeug hält.
Die aufwendigen und wunderschönen Kostüme muten an als wären sie direkt aus dem New York der 1930iger entsprungen. Das Bühnenbild dagegen ist meist eher schlicht, beweist aber wie durch den geschickten Einsatz von wenigen Requisiten wenig manchmal auch viel sein kann, etwas das hier deutlich besser gelingt wie bei Evita im Großen Haus (des Hessischen Staatstheaters). Da überzieht man dann gerne die manchmal etwas zu langen Umbaupausen.
Die tänzerische Leistung des gesamten Ensembles ist auf höchstem Niveau und dem Großteil der jungen Schauspieler sieht man die zweifelsohne schwere Arbeit nicht an. Im Gegenteil, sie versprühen Lebensfreude und Begeisterung, der man sich im Publikum nur schwer entziehen kann. Besonders auffallend sind dabei Anna Heldmaier (Peggy Sawyer), Mariella Köhlert (Annie, einer der erfahrenen Tänzerinnen am Broadway) und eine der jüngstem im Ensemble, Denia Gilberg (Lucy, Ensemble von ‚Pretty Lady').
An echten Schauspiel- und Gesangstalenten mangelt aber bei 42nd Street auch nicht. Rainer Maaß überzeugt als selbstbewusster, zielstrebiger Julian Marsch auf ganzer Linie und stellt sich gegen Ende des Stückes auch noch als toller Sänger heraus. Tim Speckardt spielt den kecken Billy Lawlor, einen Star-Tenor, der genau weiß was er kann, und der von Anfang an ein Auge auf die naive Peggy geworfen hat. Er meistert die Rolle mit spielender Leichtigkeit. Vor allem aber als Sänger beweist nicht nur Billy, sondern auch Tim wahrlich Starqualität. Unter den Frauen besonders positiv aufgefallen ist Christina Rauchschnabel als Maggie Jones, die exzentrische Autorin und Produzentin von Pretty Lady.
Am Ende ist es aber das Zusammenspiel des gesamten Ensembles, das diese Produktion zu einem Erfolg werden lässt. 42nd Street lebt auf weiten Strecken von groß angelegten Tanz- und Gesangsnummern, in denen (fast) das gesamte Cast auf der Bühne steht und in denen das gemeinschaftliche Talent des Ensembles zum Star wird.
42nd Street sollte man sich daher auf gar keinen Fall entgehen lassen. Die Show läuft im Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters vorerst noch an folgenden Terminen: 15.12.2013 (16 Uhr), 23.12.2013 (19:30 Uhr) und 1.1.2015 (18 Uhr).
Photo Credit: Leno Obst
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