Zum Abschluss der Spielzeit 2014/15 und während der Art Basel präsentiert das Theater Basel ab 16. Juni 2015 in Halle 3 der Messe Basel eine Intervention des international bekannten Künstlers Romeo Castellucci. «The Parthenon Metopes» ist ein raffiniertes Spiel um Kunst und Realität, das die grossen Menschheitsfragen stellt: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Und welche Macht bestimmt über unser Leben? Wieder einmal erweist sich als wahr, was Kleists Alraune in der «Hermannsschlacht» dem römischen Feldherrn Varus, der mit seinem Heer im Sumpf des Teutoburger Walds feststeckt, auf seine Frage, wo er sich befinde, antwortet: 'Hart zwischen Nichts und Nichts!' Das Rätsel des Lebens ist nicht zu lösen.
Es ist der Augenblick des Entsetzens, der Augenblick zwischen Leben und Tod: Ein Unfall hat sich ereignet, oder besser: ein Vorfall. Was genau geschehen ist, bleibt im Dunkeln. Verkehrsunfall, Überfall, Suizidversuch, Herzinfarkt; wir werden es nicht erfahren. Wir sehen nur das Opfer. Ein Mensch mit Schmerzen. Sekunden dehnen sich zur Ewigkeit, bis endlich der Notarztwagen herbei rast, bis die professionellen Helfer rasch und umsichtig ihr Rettungswerk beginnen. Und scheitern müssen, denn: Das Theater, wie auch das Leben, geht immer von der Tragödie aus, sagt Romeo Castellucci. Besonders dann, wenn eine höhere Macht die Hände im Spiel hat; der alte Mann ist eben nicht einfach so zusammengebrochen; das Auto ist nicht einfach so in die Menschengruppe gerast. Aber diese Vorgeschichte soll nicht erzählt werden. Alles, was wir erfahren ist: Eine Sphinx hat ein Rätsel gestellt, ein Rätsel auf Leben und Tod. Und dieser Mensch, der am Boden liegt, schwer verletzt oder schwerkrank, könnte überleben, wenn die Frage beantwortet würde ...
Romeo Castelluccis rätselhafte szenische Installation vereint philosophische Ideen der Antike und mit modernem Hyperrealismus. Der Zuschauer befindet sich in einer leeren Hallen, und wie in einem antiken Fries folgt ein Notfall dem andern und jedes der sechs Ereignisse wird von einem neuen Rätsel begleitet, das an die Wand projiziert wird.
Die Intensität der Produktion ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt, sondern aus der speziellen Form, der Kombination von künstlicher Theaterästhetik und dem Alltag der Rettungssanitäter.
The aesthetic always uses a mask that, at one and the same time, affirms and negates. It is only in the intermittence of revelation that we have access to works of art. Theatre and art do not represent a space in which to live: here, the laws and values of this world are not valid. Theatre and art are not intended to solve problems: they must add new ones.
Romeo Castellucci
The Parthenon Metopes
Eine szenische Installation für 6 Schauspieler, 4 Notarztwagen und Sanitäter
Konzept, Inszenierung, Raum: Romeo Castellucci
Mitarbeit: Silvia Costa
Texte: Claudia Castellucci
Kostüme: Elisa Thönen
Mit Urs Bihler, Dirk Glodde, Gina Gurtner, Zoe Hutmacher, Liliana Kosarenko, Maximilian Reichert
Koproduktion: Théatre de la Villette und Festival d'Automne à Paris
Mit freundlicher Unterstützung der Art Basel, MCH Group und der Vereinigung nordwestschweizerischer Spitäler
Premiere: 16. Juni 2015, 20.00 Uhr, Halle 3, Messe Basel
Weitere Vorstellungen: 17. und 18. Juni, 16.00 und 20.00 Uhr; 19. Juni, 20.00 Uhr
Tickets zu CHF 60.00, nur Stehplätze! Der Vorverkauf startet am 30.04.2015.
Informationen und Tickets an der Billettkasse des Theater Basel unter www.theater-basel.ch und telefonisch unter 0041 / 61 / 295 11 33.
Biographie Romeo Castellucci
Das Theater ist nicht nur eine Form des Antagonismus, der zwischen zwei Personen auf der Bühne stattfindet. Das Theater findet zwischen der Bühne und dem Zuschauer statt. Die Kraft der griechischen Tragödie besteht nicht darin, eine tragische Geschichte zu zeigen; es ist der Blick, der alle Dinge als tragisch erscheinen lässt, der Blick, der selbst tragisch wird.
Romeo Castellucci gilt als einer der wichtigsten europäischen Theaterkünstler. In seinen bild- und klangmächtigen Aufführungen im Grenzgebiet von Theater, Installation und Performance forscht er in den letzten Jahren zunehmend nach den Wechselwirkungen zwischen Bild und Betrachter, zwischen Abbildung und der Unmöglichkeit von Darstellung sowie nach der sinn- und identitätsstiftenden Macht der Bilder in unserer abendländischen Kultur. Er hat Bühnenästhetik entwickelt, die weitestgehend ohne Dialoge auskommt und suggestiv wirkt - ein Theater der Wahrhaftigkeit, dessen suggestive Bilder sich immer wieder einem rationalen Zugang entziehen und tief ins Unterbewusste eindringen.
Romeo Castellucci, geboren 1960, studierte zunächst Landwirtschaft, wechselte dann aber an die Accademia di belle arti di Bologna, wo er das Studium in den Fächern Bühnenbild und Malerei abschloss. Seine Theaterarbeiten sind stark von der bildenden Kunst geprägt. Gemeinsam mit Claudia Castellucci and Chiara Guidi gründete er 1981 die Theatercompagnie Societas Raffaello Sanzio, deren künstlerische Leitung er seither innehat. Benannt hat sich die Compagnie nach Raffaello Sanzio einem bedeutenden Maler und Baumeister der Hochrenaissance. Er hat zahlreiche theatertheoretische Schriften veröffentlicht und mehrere Video- und Filmprojekte realisiert. Die Compagnie ist für radikales, bildgewaltiges Gegenwartstheater ("nuovo teatro") bekannt. Castellucci selbst sieht seine Wurzeln in der Antike und beruft sich auf die Poetik von Aristoteles. Mit diesem von ihm geleiteten Theaterkollektiv realisierte er fast all seine künstlerischen Arbeiten, in denen Musik, Licht und ikonographische Referenzen eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die beteiligten Darsteller. Castellucci hat zahlreiche theatertheoretische Schriften veröffentlicht und mehrere Video- und Filmprojekte realisiert.
Castelluccis Kreationen sind immer wieder auf allen wichtigen Theaterfestivals zu sehen, so regelmässig beim Festival von Avignon, wo er 2008 ‚artiste associé' war und seine von Dantes Göttlicher Komödie inspirierte Trilogie Inferno-Purgatorio-Paradiso Premiere hatte und bei der Ruhrtriennale. 2005 leitete Castellucci die Theaterbiennale in Venedig. 2010/11 sorgte seine Produktion Sul Concetto die volto nel figlio di Dio (Über das Konzept des Angesichts bei Gottes Sohn) europaweit für Kontroversen; am Brüsseler Opernhaus La Monnaie inszenierte er Richard Wagners 2011 Parsifal; 2014 inszeniert er Orpheus und Eurydike als Diptychon: bei den Wiener Festwochen Christoph Willibald Glucks 1762 entstandene italienische Fassung und an der Brüsseler Oper Hector Berlioz' französische Fassung aus dem Jahr 1859. 2013 wurde Castellucci für sein Gesamtwerk mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig ausgezeichnet.
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