von Felix Müller
„Vittorio Grigolo in der Philharmonie Berlin am 5. Juni 2012
Staatliches Slowakisches Sinfonieorchester unter Leitung von Daniele Rustioni
Pretty Yende – Sopran / Vittorio Grigolo – Tenor
Mit der Ouverture zu Verdis FORZA DEL DESTINO beginnt ein Abend, der im Vorfeld einiges versprach. Zählt doch Grigolo zu einem der derzeit gefragtesten Tenöre weltweit. Dann tritt er auf, raffiniert, bescheiden wirkend, im Vorspiel zu Donizettis Arie aus Duca d´Alba. VITTORIO GRIGOLO hat eine starke Präsenz, wirkt aber dennoch „spannungslos“ - gesanglich betrachtet. So wirkt das Stück als erste Nummer zum Einsingen und langsamen warm werden.
Es folgt ein erstes Duett, die Wahl fällt auf LIEBESTRANK „ Una Parola o Adina“. Der Sopran, strahlend und für einen kurzen Moment noch etwas unsicher, stellt dann wenig später Grigolo mehr und mehr in den Schatten: die Südafrikanerin Pretty Yende. Mit gerade mal 24 Jahren begeistert die Künstlerin mit ausdrucksstarker Stimme und immensen Talent. Mit Adinas Arie aus dem Liebestrank sichert sich Yende schonmal den bis dahin größten Applaus des Abends.
Zum Anschluss des nicht übermäßig langen ersten Teils (der damit dann knapp 45 Minuten dauerte) singt Grigolo Arie und Cavatine aus Verdis IL CORSARO. Er sinngt gut und effektvoll, vor allem aber ist dieses Stück klug ausgewählt, weil praktisch ohne nennenswerte hohe Töne, aber eben trotzdem effektvoll. Nun gut, so einfach kann man es sich auch machen.
Zwischen jeder Arie und jedem Duett gingen im übrigen nicht nur die Solisten sondern auch immer der Dirigent ab, was zu unötigen Pausen und dem Gefühl von Zeit schinden mutmaßt.
Der zweite Teil wird mit Mozarts „Un aura amorosa“ aus Cosi fan tutte“ eröffnet, gefolgt von je einer Solo-Arie der Protagonisten und dem Liebesduett aus Gounods „ROMEO ET JULIETTE“. Wobei Frau Yende sich mit Julias Bravour-Arie, zweimal von stürmischen Applaus unterbrochen, nun definitiv die Gesangskrone des Abends aufsetzen kann.
Es folgt das Zwischenspiel aus Puccinis „MANON LESCAUT“ um nun die letzte (!) Arie des offiziellen Programms einzuläuten: Grigolos „Che gelida manina“ aus LA BOHEME. Das Publikum ist begeistert, erhebt sich dann auch gleich wieder von den Sitzen um das „grossartige“ Ende des Konzertes zu beklatschen. Grigolo hatte immerhin 6 Arien gesungen ….. (Ich erinnere mich spontan an einen Arien-Abend von James King in der Deutschen Oper, bei dem er acht Zugaben gab – in Form von Wagner und Puccini-Arien.
Aber wenn man dem optischen Eindruck beim Singen glauben mag, dann war das auch wirklich genug, denn dass immerhin originale hohe „C“ in der Boheme Arie sah nach einem mittleren Erdbeben in Grigolos Körper aus. Und damit wäre ich beim eigentlichen Punkt angekommen: Grigolos Gesang. Zweifelsfrei eine schöne Stimme, unbedingt ein sehr gutaussehender Mann, für die von Ihm gewählten Arien / Rollen-Portraits perfekt passend. Aber mit so vielen gesanglichen Unarten behaftet, die es ihm auf Dauer (und eben auch jetzt schon deutlich hörbar!) schwer machen werden gut zu singen. Er wechselt oft, zu oft, in spontane Piano-Phrasen, die so leise sind das man sie nicht hört, sondern nur sieht das er singt. Und diese Phrasen sind nicht ausreichend gestützt, dafür aber unnötig dunkel gefärbt, welches das „nicht zu hören“ noch unterstreicht. Und er dunkelt fast immer ab und deckt die Stimme zu früh, wodurch er sich den eigentlich vorhandenen Glanz nimmt und fast jeden höheren Ton zu einer echten Anstrengung werden läßt. So sind dann auch sieben Arien und zwei Duette genug für einen großen Arien-Abend eines „Weltstars“.
Ja, sieben denn es gab ja noch eine italienische Canzone, und zum Mitklatschen für alle das Trinklied aus LA TRAVIATA. Im Programmheft waren zwar noch weitere Zugaben prophylaktisch abgedruckt, aber die kann man ja dann auch weglassen – der Abend wird doch sonst unnötig lang. Schade. Und, um den immer wieder gern erwähnten Vergleiche mit Luciano Pavarotti zu erwähnen: so hat Pavarotti sicher nie gesungen, schon gar nicht so wenig.
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