Wer würde nicht gerne einmal eien Zeitreise unternehmen? Entweder aus reiner Neugierde, vielleicht um historische Persönlichkeiten zu treffen oder einfach nur der eigenen Abenteuerlust zu frönen. Wenn sich der Vorhang der Komödie am Kurfürstendamm öffnet, kann man selbiges zelebrieren. Denn "Die Comedian Harmonists" sind zum wiederholten Male Gast in Martin Woellfers Theater, der auch gleichzeitig für die Inszenierung verantwortlich zeichnet. Wenn ich mich so umsehe, bin ich mit Anfang 30 der mit Abstand jüngste Besucher dieser Vorstellung. Ein Meer aus grauen, toupierten und gefönten Haaren (mal mehr, mal weniger) springt mir entgegen und läßt keinen Zweifel daran aufkommen, dass das richtige Publikum den Weg ins Theater gefunden hat. Für mich bedeutet dieser Abend auch eine willkommene Alternative zum grassierenden Fussballwahn zur Europameisterschaft. Um eins gleich vorweg zu nehmen: die Reise in die Vergangenheit ist durchaus geglückt und es macht großen Spaß den stimmlich hervorragenden Sängern zuzuhören. Jedoch ist Woelffer bei seiner Regie auf Nummer sicher gegangen und probiert erst gar nicht mit frischen Ideen das angestaubte Stück zu beleben. Leider liegt die stärke dieser Darsteller, die auch als Sextett unter dem Namen Berlin Comedian Harmonists auftreten, nicht im Schauspiel. Das wirkt stellenweise sehr hölzern und zu brav und monoton. Den schauspielerisch wichtigsten und sehr gut gelösten Part übernimmt Gisbert-Peter Terhorst, der in vielen verschiedenen Rollen (Manager, SS Offizier, Conférencier) überzeugt und vieles aufwertet. Wenn er als SS Mann plötzlich im Auditorium steht und fordert das Saallicht zu erhellen um anschließend ein Auftrittsverbot für die Harmonists zu verhängen, ist das schon ein beklemmender und eindringlicher Moment, den Terhorst hervorragend spielt. (Kommentar des Sitznachbarns: "Ja, ja so war das damals.")
Philipp Seibert. der in seiner Rolle als Harry eigentlich der Spaßvogel sein soll, wirkt schauspielerisch unsicher und vermittelt nicht das Gefühl optimal besetzt zu sein. Auch wenn er stimmlich sehr gut ist reicht sein Schasupiel nicht für eine adäquate Rollendeckung. Wolfgang Höltzel, der schon einer der langweiligsten Billy Flynns (im Musical "Chicago") war, die ich je gesehen habe, ist teilnahmslos und spult seine Rolle x-beliebig herunter. Ein Lichtblick ist Holger Off als Ari, der für einige wenige Lacher des Abends zuständig ist und mit starker Stimme begeistert. Ralf Steinhagen als Roman passt optisch perfekt in die Zeit der 20er und 30er Jahre, während Olaf Drauschke mit perfekt imitierten Querflötenspiel und guter Stimme punkten kann. Kongenial werden die Herren am Klavier von Horst Maria Merz begleitet.
Gesanglich bewegt sich der Abend in hervorragender Qualität und die Stimmen der Sänger sind exquisit. Das hinter mir ein Besucher jeden noch so bekannten Schalger ("Mein kleiner, grüner Kaktus", "Veronika, der Lenz ist da") laut gegen den Rhythmus mitklatschen musste wäre noch zu verschmerzen gewesen, wären seine Klatscher nicht dirkt neben meinem Ohr gelandet. Das "reifere" Publikum ist begeistert und fordert eine Zugabe, derer die Berlin Comedian Harmonist gerne nachkommen.
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