Magie und Zauber sind zwei Wörter, die man in Elmar Ottenthals Inszenierung von „SnoWhite“ vergeblich sucht. Der Mann, der ganze zwei Jahre brauchte um das Berliner Theater des Westens in Grund und Boden zu wirtschaften und in die Insolvenz zu treiben ist nun verantwortlich für die desaströse Neuinterpretation des Grimm Stoffes aus der Feder von Frank Nimsgern. Mit dem brachialen Feingefühl eines Totengräbers hangelt sich Ottenthal von einer Plattitüde zur nächstem, und ist sich nicht zu schade den allerletzten Kübel der Peinlichkeiten zu öffnen. So lässt er die sieben Zwerge als eine Kombination aus Transsexuellen, Ghettokids, grenzdebilen Rammlern und sprachgestörten Proleten auftreten, allesamt von Tänzern gespielt, die nicht live singen, sondern deren Gesangsparts eingespielt werden. Überhaupt werde ich das Gefühl nicht los an diesem Abend gleich mehrere Male hinters Licht geführt zu werden. Nicht nur, dass die komplette Videoprojektion an diesem Abend ausfällt und die Zuschauer auf weiße Stellwände und Leinwände starren, nein, sämtliche Streicher und Bläser kommen… vom Band! Was mittlerweile bei Stage Entertainment Gang und gebe ist, ist für eine Musicalproduktion in einem Opernhaus einfach nur peinlich und unverschämt. Die Musik von Nimsgern ist eine Mischung aus Schlager, Pop, etwas Rock und noch mehr weichgespülten Schlager. Die Melodien sind so beliebig und wiederholen sich derart oft, dass es recht verwunderlich erscheint, dass der Komponist aus diesem wenigen, spärlichen Material ein ganzes Musical zimmern konnte.
Michaela Kovarikova als Snowhite hat nichts als leiernde, jammervolle Lieder zu singen und wiederholt „Mein Herz ist frei wie der Wind“ allein bis zur Pause dreimal. Es ist eine zusammengeklaute Mischung aus „On My Own“, „If You Could read My Mind“ und etwas Pocahontas. Obwohl Kovarikova gesanglich durchaus punkten kann, ist ihre Figur zu unwichtig und zu blass, als dass sie damit wirklich begeistern oder berühren könnte. Berühren wollte Ottenthal mit seiner selbstverliebten Inszenierung der Altherrenfantasien eh zu keiner Sekunde. Allein die sexuellen Anspielungen aufzuzählen würde länger dauern als das Stück selber. Die Szenen der Zwerge erinnern mit ihrer plumpen, niveaulosen Art an das Hartz IV Fernsehen der Privatsender mit dazugehöriger „Scriped Reality“ und pseudo improvisierten Dialogen. Da imitiert und zitiert der Boss, gespielt von Texter Frank Felicetti, Grönemeyer, Lindenberg und Klum und kommt sich dabei vor wie der zentrale Mittelpunkt dieser Erde. Die Zwerge wohnen in einem bordellartigen Bergwerk, dass der sprichwörtliche Gipfel der Geschmacklosigkeit des Bühnenbildes von Ottenthal bildet.
Vom ursprünglichen Grimm Märchen ist nicht viel mehr als ein Skelett übrig. Was als interessanter Stoff durchaus sehr gutes Potential gehabt hätte, verpufft in einer Blase der Belanglosigkeiten. Das was Ottenthal hier verbricht, erinnert an seine schlimmsten Zeiten in Berlin und Aachen. Für alle wenigen, die damals „Blood Red Roses“ und „Adam und Eva“ am Theater Aachen ertragen mussten, wissen wovon ich schreibe. „Snowhite“ ist eine Show, wie sie in dieser Form an keinem anderen Haus ohne Subvention auch nur einen Tag überstanden hätte, ja in Ländern wie Großbritannien oder Amerika hätte man mit diesem Konzept nicht einen einzigen Finanzgeber mobilisieren können. John Davies als Jäger singt vor bemalter Fototapete irgendetwas vom Weg, Schneewittchen und Prostataproblemen. Letzteres ist nur meine persönliche Mutmaßung, lässt aber aufgrund der schweren Textverständlichkeit und des Eunuchengesangs keine andere Schlussfolgerung zu.
Aino Laos hat eine sehr gute, kräftige Stimme, ist allerdings auch nicht sonderlich gut zu verstehen und übertreibt ihr Spiel als Böse Königin als zu chargenhaft und mutiert zu einer Mischung aus Gollum und Lady Gaga. Nerviger ist die Tatsache, dass sie als Königin von sich immer in der dritten Person spricht und wohl Yoda aus den „Star Wars“ Filmen als textverdrehendes Vorbild hatte. Sie hat allerdings die mit Abstand besten Songs des Abends.
Das Opernhaus hat mehrere variable Bühnen, diese dann rauf und runter zu fahren, trägt allerdings auch nicht zu einem gehaltvolleren Stück bei. Überhaupt werden Verfechter des Musicals ihre wahre Freude mit diesem Stück haben, denn es bestätigt alle Vorurteile: es ist belanglos, musikalisch uninteressant und dumm.
Und wo wir gerade beim Thema sind: dass das Publikum sich am Ende allen Ernstes wild applaudierend von den Sitzen erhebt kann meiner Meinung nur bedeuten, dass niemand mehr kritisch einer Musicalaufführung beiwohnt und alles toll findet weil es eben „Musical“ ist, die Zuschauer kennen Musical nur aus Playbackauftritten aus dem ZDF Fernsehgarten oder ich liege falsch und ich habe den tiefen Sinn und Unterhaltungswert dieser Produktion nicht verstanden.
Ich habe schlechte Amateuraufführungen gesehen, die mehr Charme und Esprit hatten als dieser müde, sich anbiedernde Versuch einer Neuinterpretation des Schneewittchen Stoffes umgesetzt mit großen Mitteln eines subventionierten Hauses. Ich halte es da allerdings ähnlich wie mit Gewinnern von Casting Shows. Warum soll ich Massenkonfektionsware kaufen, wenn es bereits so hervorragende Amuse-Gueule gibt? Liebes Theater Bonn und liebe Intendanz, Musical kann eine so vortreffliche Wahl sein, aber beim nächsten Mal lieber Sondheim, Kander oder Schwartz. So schließe ich mit einem kleinen Wort, das nicht etwa meiner Phantasie entstammt, sondern den ersten Akt beendet. Das war leider „kacke“.
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