Dieser Don Giovanni ist ein ganz schöner Schwerenöter. Ein Hans-Dampf in allen Gassen, ein Schelm, ein Herzensbrecher. Aber er ist auch ein Mörder und Vergewaltiger. Zusammen mit seinem Diener und Weggefährten Leporello, einem Drogen konsumierenden Junkie, hat er sich in die Wälder zurückgezogen. Seiner Naturgewalt und seinem animalischen Trieben, verfallen die Damen reihenweise. Da hätten wir die bürgerliche Donna Anna, gelangweilt von ihrem Verlobten und seiner und ihr selbst aufgebauten Spießerwelt. Donna Elvira, die vornehbare Dame und edlem Haus, die ihrem Verflossenem Don Giovanni nachtauert und ihm überall hin bedingungslos folgt. Alkohol, Drogen und Gewalt spielen eine große Rolle in Claus Guth's Inszenierung von Mozart's "Don Giovanni", die 2008 bei den Salzburger Festspielen Premiere feierte. Damals spaltete seine Arbeit die Kritiker, entwickelte sich aber trotzdem, oder gerade deswegen, zum Publikumsliebling. Nicht ganz unschuldig daran ist dieser Schrott. Damit wir uns richtig verstehen: die Rede ist natürlich von ihm: Bassbariton Erwin Schrott.
Er liefert als Leporello eine Darbietung, die schon jetzt einen Platz in der Opergeschichte innehält. Schrott betritt die Bühne (er hat ohnehin die ersten Zeilen zu singen) und ist sofort präsent. Mit stimmlischer Eloquenz von makelloser Schönheit und einem Schauspiel, das ich in dieser Form noch niemals bei einem Opersänger bewundern konnte. Er scheint nicht nur seine Partie mühelos zu meistern, er verkörpert auch Leporello brilliant als durchgeknallten, zuckenden Junkie. Eine Partei die er konsequent bis zum Ende durchzieht und mit erstaunlicher Tiefe und Leben füllt. Bravo! Christopher Maltman hat es in der Titelrolle dagegen nicht leicht sich gegen einen solchen Bühnenpartner zu behaupten, engleitet das Stück doch immer wieder zur "Leporello Show". Maltman, wie Schrott kein Unbekannter in Bezug auf Mozart's Oper, schlägt sich dennoch mehr als gut und glänzt als Herzensbrecher (Deh, vieni alla finestra, o mio tesoro). Die schöne Maria Bergsson sprang für die angekündigte (und wieder absagende) Anna Netrebko als Donna Anna ein und beweist ihre Stärke in der Partei, welche sie sich hervorragend zu eigen macht und erntet mit ihrer Arie Or sai chi l'onore zahlreiche Bravas und begeisterten Applaus.
Die großartige Dorothea Röschmann zeigt in ihrer Rolle als leidende Donna Elvira die ganze Bandbreite ihres Talents. Mit sicherer Stimmführung und exzellenten Höhen entlockt sie dem Publikum mit Mi tradi quell'alma ingrata zahlreiche Bravas und langen, euphorischen Applaus. Eine Entdeckung und Gewinn für die Inszenierung ist die zauberhaft zarte Anna Prohaska als Zerlina, während der italienische Tenor Giuseppe Filianoti als Don Octavio überzeugt.
Unter der grandiosen Leitung von Maestro Daniel Barenboim, der auswendig ohne im vorliegende Partitur dirigiert, erklingt die Staatskapelle Berlin zu vollem, satten Klang und beweist wieder einaml, dass sie zu den größten Orchestern der Welt zählt. Allein der Naturgewalt Barenboim zuzusehen wie er voller Inbrunst und Leidenschaft sein Orchester dirigiert ist eines von vielen Highlights des Abends. Dieser Mann verkörpert nicht nur die Liebe zur Musik, er wird als Dirigent eins mit ihr.
Regisseur Claut Guth ist der Geniestreich gelungen aus "Don Giovanni" ein Werk für eine neue, junge Operngeneration zu erschaffen. Unterstützt wird er dabei von seinem brillianten Bühnenbildner Christian Schmidt. Guth demontiert Mozart's Stück um es mit neuen, frischen, manchmal verstörenden Elementen wieder zusammen zu setzen. Das Fundament auf dem diese Inszenierung steht ist stark, solide und unerschütterlich. Auch wenn seine Arbeit sicher polarisiert und sich nicht jeder Zuschauer mit einem drogenkonsumierenden Protagonisten auseinader setzen möchte, ist Guth's Produktion ein strahlender Sieger. So macht modernes, zeitgemäßes Musiktheater Spaß!
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