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BWW Reviews: 'Die Wahrheit'

By: Apr. 09, 2012
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Als ein „Spiel von Lüge und Wahrheit“ könnte man das neueste Stück des jungen Pariser Autors Florian Zeller bezeichnen, denn für seinen verheirateten Protagonisten Michel ist Wahrheit etwas sehr Zweifelhaftes. Er bevorzugt die Lüge, denn "wenn die Leute von heute auf morgen aufhören würden, sich zu belügen, gäbe es kein einziges Paar mehr auf Erden. Und in gewisser Hinsicht wäre das das Ende der Zivilisation". So lautet sein Credo und das nicht ganz ohne Grund, denn seit sechs Monaten hat er ein Verhältnis mit Alice, der Ehefrau seines besten Freundes Paul.                           

Doch Frauen haben ein anderes Verhältnis zur Wahrheit. Das ständige Versteckspielen, die immer neuen Lügen belasten das Gewissen von Alice und sie will endlich reinen Tisch machen. Michel ist empört: "Du belügst ihn nicht, Alice. Du sagst Paul nur nicht die Wahrheit. Es wäre egoistisch, ihm die Wahrheit zu sagen, nur um dein Gewissen zu erleichtern". Hat er sie damit überzeugt? Bei einem Treffen erzählt ihm Paul von seinem Verdacht, dass Alice ihn betrügt. Hat sie also doch geplaudert? Sie hat - und Michel ist empört, denn damit ist klar, dass er angelogen wurde, von seinem besten Freund. Plötzlich sieht Michel, der notorische Lügner, sich in der Rolle des Opfers - wird der Lügner von seinen eigenen Lügen eingeholt. Er, der bis dahin fest davon überzeugt war, sein kompliziertes Liebesleben im Griff zu haben, wird zum Spielball der Anderen, vor allem seiner betrogenen Ehefrau Laurence. Und die Wahrheiten, die ihm jetzt um den Kopf fliegen, entziehen dem charmanten betrogenen Betrüger vollends den Boden unter den Füßen.

Eine hinreißende, höchst raffiniert geschriebene Komödie mit geschliffenen, pointierten Dialogen. Immer wenn man glaubt, die Wahrheit zu wissen, wird sie unvermittelt wieder auf den Kopf gestellt, so dass man bis zum überraschenden Schluss in Atem gehalten wird.

Ja mit der Ethik nimmt es Michel (grandios: Herbert Knaup) nicht so genau und behauptet schlichtweg: "Ethik ist out". Das gibt Anlass für einen der gelungensten, schönsten Theaterabende die man derzeit in Berlin erleben kann. Obwohl insgesamt vier großartige Schauspieler auf der Bühne des Renaissance Theaters zu sehen sind (neben Knaup noch Thomas Heinze, Johanna Christine Gehlen und Leslie Malton) ist Herbert Knaup der unumstrittene Mittelpunkt des Stückes und dieser Produktion.

Er liefert eine wahre Tour-de-force Performance und ist schlichtweg ein Ereignis. Dieser hervorragende, exquisite Schauspieler beweist das er zu den besten seines Fachs gehört und begeistert 90 Minuten lang mit einer rundherum perfekten Leistung. Aber was unterscheidet Knaup von so vielen seiner Kollegen? Er hört seinen Bühnenpartnern zu, reagiert und scheint seine feinen Repliken augenscheinlich jede Sekunde neu zu erfinden. Er ist espritvoll, geistreich und kann mit tollem Material arbeiten, denn das Stück des französichen Autors Florian Zeller ist Boulevard vom Feinsten. Es ist eine Komödie für die neue Generation: frisch, schwungvoll und extrem witzig. Zwischen den Szenen gibt es wunderbar leichte französische Musik, von der man sich wünscht sie würde direkt mit dem Programmheft verkauft. Das funktionale Bühnenbild von Nina v. Essen verbindet auf geschickte Art und Weise die unterschiedlichen Szenen miteinander.

Von den Vorteilen, sie zu verschweigen und den Nachteilen, sie zu sagen lautet der mehr als zweideutige, treffende Untertitel der 2011 in Paris uraufgeführten Komödie. Ulrich Waller inszeniert einen großartigen, perfekten Theaterabend an den man sich noch lange und gerne erinnert.



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