Grauer Regen regnet dir aufs Dach
und du gräbst im Buch des Lebens nach
und merkst als Mensch und Christ
was nicht mehr zu ändern ist
„Ich bin Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren“
- Günter Guillaume bei seiner Verhaftung
Es war einer der größten Skandale der Nachkriegsgeschichte: die Guillaume Affäre zu Beginn der 1970er Jahre. Hauptdarsteller waren zwei Protagonisten die auf den ersten Blick soviel gemein hatten und letztendlich doch so verschieden waren: Kanzler Willy Brandt und sein heimlicher Gegenspieler Günter Guillaume. In dem 2003 uraufgeführten Stück von Michael Frayn thematisiert Autor Michael Frayn die Kanzlerschaft Willy Brandts, den Kampf um die Ostpolitik während des Kalten Krieges und die Geheimdienstaffäre, die zum Rücktritt des Kanzlers führte. Gullaume war als enger Vertrauter und persönlicher Referent des Kanzlers nicht nur in die innerpolitischen Geheimnisse eingeweiht, sondern auch in die privaten Brandts'.
Die Handlung des Stückes ist dabei ebenso spannend, wie kurzweilig und lässt solch politische Größen wie Helmut Schmidt, Herbert Wehner und eben Willy Brandt den Platz im Rampenlicht.
Bonn, 1969. Nach 20 Jahren CDU stellen erstmals die Sozialdemokraten den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland: Willy Brandt. Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin will „mehr Demokratie wagen“ und setzt sich für eine andere Ostpolitik ein. Zugleich aber wird er, der die NS-Jahre im skandinavischen Exil erlebt hat, von konservativer Seite als Sozialist und Vaterlandsverräter attackiert. Fünf Jahre und eine gewonnene Bundestagswahl später tritt Brandt zurück. Günter Guillaume, einer seiner engsten Mitarbeiter, ist als Stasi-Spion aufgeflogen. Diese Geschichte erzählt Michael Frayn via Rückblenden aus der Perspektive Guillaumes und seines Führungsoffiziers (Michael Schweighöfer).
In der fulminanten Regie von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner wird der Kanzler zum schleimig charmanten Politiker, der passend zu Hildegard Knef’s „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ eben genau diese an weibliche Zuschauer verteilt. Unterstützt wird das mediale Ereignis des Kanzlers von Videoinstallationen (Jo Schramm und Marlene Blumert) die hier treffend und gut dosiert eingesetzt werden. Immer wenn die Politiker redeschwingend nach klugen Worten suchen, werden statt hohler Worthülsen diverse Schlager von Udo Jürgens, Hildegard Knef bis hin zu Rio Reiser eingespielt. Die Politiker sind so Showmenschen, die zu fremden Worten wie ferngesteuert ihren Mund bewegen. Was sich zunächst als etwas befremdlich anmutet ist ein genialer, inszenatorischer Trick der dem Stück auf hervorragende Art und Weise zu Gute kommt.
Das Regieduo kann auf durchweg hervorragende Schauspieler vertrauen, von denen einzig Daniel Hoevels als Guillaume fehlbesetzt ist. Er ist nicht nur zu jung für die Rolle, sondern schafft es aufgrund seines ewig leidenden Gesichtsausdruck für einen erheblichen Nervfaktor zu sorgen. Felix Goeser gelingt als Willy Brandt ein stimmiges, fein nuanciertes Rollen Portrait, der den Kanzler in all seiner Zerrissenheit und Depression zeigt. Goeser vernachlässigt aber auch nicht den Witz und den Charme, für den Brandt so viele liebten. Großartig ist Bernd Stempel als der „Onkel mit der Pfeife“ Herbert Wehner. Die Drehbühne bietet eine wundervolle Gelegenheit die vielen Raffinessen der Inszenierung auszunutzen. So wird der morgendliche Gang des Kanzlers und seinen politischen Gegnern und Partnern zu einem Spießrutenlauf der Zeit... Eine fantastische Gesamtleistung von Regie und Schauspielensemble, welches zur Abwechslung mal komplett nur aus Männern besteht.
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