Am vergangenen Freitag fand im Raimund Theater Wien die Weltpremiere des Musicals SCHIKANEDER statt. Die neue Eigenproduktion der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) stammt aus der Feder von Oscar- und Grammy Gewinner Stephen Schwartz (Musik und Lyrics) und Christian Struppeck (Buch). Das Stück handelt von Emanuel Schikaneder, seinerseits Librettist der weltberühmten Oper „Die Zauberflöte". Darüber hinaus war er aber auch Produzent, Regisseur, Theaterbesitzer, Schauspieler und eine er schillerndsten Theaterpersönlichkeiten des 18 Jahrhunderts. SCHIKANEDER ist aber keineswegs eine musikalisierte Biografie. Vielmehr erzählt das Musical von der turbulenten Liebesgeschichte zwischen ihm und seiner Frau Eleonore.
Hinter jedem starken Mann steht auch eine starke Frau - dieser Spruch ist viel benutzt und trifft auch in diesem Fall zu. Zu Eleonore sind kaum Informationen überliefert und dennoch, oder gerade deshalb bildet sie das Herz des Musicals. Die Geschichte von der ersten Begegnung mit dem Frauenschwarm Schikaneder bis zur Uraufführung der Zauberflöte wird aus ihrer Sicht erzählt und ihr gehören die herausragenden Momente der zweieinhalbstündigen Aufführung. Milica Jovanovic gibt eine bezaubernde Eleonore, die Charme und Energie versprüht und deren klarer Sopran vor allem in den Höhen begeistert. Mark Seibert spielt ihr Gegenstück, den überaus begabten aber genauso egozentrischen Emanuael und auch er kann in dieser Rolle voll und ganz überzeugen. Unter den Nebendarstellern ist vor allem Katie Hall hervorzuheben. Man könnte denken Maria Anna, eine von Emanuels vielen Affären, wäre vielleicht eine undankbare Rolle um Publikumssympathien zu gewinnen. Das gelingt ihr aber mit viel Witz, Charme und einer tollen Stimme problemlos.
Alle Schauspieler sind in authentische Kostüme gekleidet und bewegen sind auf einer gigantischen Drehbühne, auf der sich eine klassizistische Bühne dreht. So wird das Leben auf und hinter der Bühne optisch geschickt visualisiert und Szenenwechsel flott gestaltet. Christian Struppeck gelingt es mit seinem Buch die Zuschauer mitzureißen und für diese Geschichte, die sicher die wenigsten vorher kannten, zu begeistern. Das Buch hat ein paar Längen und am Ende hätte ich mir ein paar Szenen mehr gewünscht, um die Sinnenwandlung beider Hauptcharaktere natürlicher entstehe zu lassen. Dennoch hatte ich zum Schluss eine Träne um Auge und der Gesamteindruck wurde kaum getrübt. Ein Wehmutstropfen sind die deutschen Liedtexte, die einfach nicht mit den (bei der Premiere eingeblendeten) englischen Texten mithalten können.
Das eigentliche Highlight von SCHIKANEDER ist aber vor allem die grandiose Musik von Stephen Schwartz. Sie kommt so operettenhaft daher, dass sie einmal mehr die Frage aufwirft, wo denn nun eigentlich der Unterschied zwischen einem Musical und einer Operette besteht. Aber ganz gleich ob wir SCHIKANEDER jetzt ein traditionelles Musical oder eine moderne Operette nennen wollen, musikalisch stimmt hier alles. Die Melodien sind eingängig und gerade „Träum Groß" summt man noch tagelang vor sich hin. Die klassisch angehauchten Orchestrierungen schwingen sich zum Himmel hinauf, oder wenigstens zur Theaterdecke. Dabei hilft es natürlich ungemein, dass sie unter der Leitung von Koen Schoots von einem 32-köpfigen Orchester gespielt werden - dreimal so viele Musiker wie in einem Orchestergraben am Broadway üblicherweise zu finden sind.
Alles in allem ist SCHIKANEDER ein unbedingt sehens- und hörenswertes neues Musical aus den Händen eines international renommierten Kreativteams (Regie führt Sir Trevor Nunn). Im Raimund Theater wird hier Qualität geboten, wie man sie sonst vielleicht nur auf dem New Yorker Broadway oder im Londoner West End findet. Erleben kann man das Musical vorerst noch bis Juni 2017.
Foto Credit: (c) VBW / Deen Van Meer 2016
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