Die Ticketsuche vor der Waldbühne ist enorm, denn das Konzert ist ausverkauft. Leonard Cohen gibt sich die Ehre und da ist das Interesse groß. Auf meinem Weg zum Eingang sehe ich Autos mit Kennzeichen aus München, Oldenburg und sogar eins aus Dänemark ist mit dabei. Cohen gibt dieses Jahr zwei Konzerte in Deutschland: das eine in Mönchengladbach und das andere in Berlin. Tausende Menschen haben den Weg in die Waldbühne gefunden und feiern wie bei einem Volksfest ausgelassen bei Bratwürstchen und Bier. Die Bühne mit dem charismatischen Zeltdach ist einfach und effektiv gehalten. Weiße, luftige Vorhänge umspielen als Deko und verleihen ein zusätzliches sommerlich, luftiges Flair. Programmhefte werden zu stolzen 15 Euro verkauft, einen Preis, für den man in Berlin problemlos das günstigste Ticket im Deutschen Theater oder eine Vollzahlerkarte im Off-Theater erstehen kann. Preußisch pünktlich wird zehn Minuten vor der Show angekündigt: „Ladies and Gentlemen, the show will commence in 10 minutes.“
Und dann Punkt 19.30 Uhr ist es in der Tat soweit: die sechsköpfige Band betritt mit drei Backgroundsängerinnen die Bühne gefolgt von Mr Cohen. Erwartungsgemäß sind es nicht die großen Effekte die diesen Abend dominieren, sondern die musikalische Größe des Leonard Cohen. Dieser ist wortkarg, aber sehr herzlich wenn er demütig seinem Publikum entgegentritt und mit markanter Stimme sagt: „Für den Fall, dass wir uns nicht wiedersehen, geben wir heute Abend alles.“ Das ist nicht nur ein Floskel, sondern ein Statement, welches sich in den nächsten Stunden bestätigt und manifestiert. Cohen legt sofort los und reiht Hit an Hit, bevor er nach über einer Stunde erneut sein Wort an sein begeistertes Publikum richtet. Dieser Mann mit der unverwechselbaren, tiefen Stimme ist bescheiden und sympathisch zugleich. Alles was er sagt wirkt genau überlegt. Er ist kein Mann der großen Worte, sondern beschränkt sich auf das wesentlich essentielle, eine Gabe die heutzutage nur wenigen Künstlern in die Wiege gelegt wurde. Manchmal hat man das Gefühl er singt seine Songs für sich, so intim, so besonders hören sie sich an. „Bird On A Wire“, „Everybody Knows“ und „Sisters Of Mercy“ sind dabei nur einige der zahlreichen Lieder, die Cohen an diesem Abend performt.
Das britische Schwesternduo „The Webb Sisters“ begleit Cohen schon seit ein paar Jahren auf dessen Tourneen weltweit. Die beiden Sängerinnen als „Background“ zu bezeichnen wäre ebenso unpassend und absurd wie die Behauptung Christine Neubauer sei eine gute Schauspielerin. Die beiden Sängerinnen singen wie Engel und harmonieren exzellent miteinander. Wie prickelnder Champagner und atmospährisch wie der Himmel über der Walbühne beweisen die beiden Künstlerinnen ihr Können mit jedem kristallklaren Ton, der ihre Kehle verlässt. Berührend und klar passen die Webb Sisters hervorragend zur wohlig tiefen Bass Stimme von Leonard Cohen. Als nach gut 90 Minuten sich der große Cohen wieder zu Wort meldet will er sich verabschieden, aber nur in die Pause („Thank you friends“). Was für einige Künstler schon längst das Ende bedeutet hätte (Hello, Dionne Warwick), ist dies für Cohen nur eine kurze Verschnaufpause vor dem zweiten Teil.
So tiefenentspannt wie Cohen als Geschichtenerzähler und Beobachter fungiert, so möchte man im Alter auch werden. Er legt wieder nach mit seinen Songs „Suzanne“. „Tower Of A Song“ und natürlich „I’m Your Man“, ist mal an der Gitarre oder am Keyboard zu erleben. Ihm ist es zu verdanken, dass die riesige Waldbühne lauschig und intim wie ein Wohnzimmer anmutet.
Der Sound des Kanadiers John Haliwell ist exzellent an diesem Abend und perfekt (warum ist das nur in Deutschland so selten möglich?) und lässt keine Wünsche übrig. Wenn Cohen nach über drei Stunden Programm und perfekt gemachter Musik seine Zugaben (u.a. „Hallelujah“) gibt und das Publikum den stillen Mann aus Kanada feiert, dann ist der Abend nicht nur rasend schnell vorbei gegangen, sondern hinterlässt den Eindruck einen der ganz Großen Könner der Musikgeschichte hautnah erlebt zu haben. Und allein dafür hat sich für viele Zuhörer die weite Anreise sicher mehr als gelohnt. Leonard Cohen, he’s still our man!
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