Betty Buckley gehört spätestens seit ihrer Rolle der Grizabella in der New Yorker "Cats“ Erstaufführung (Tony Award als beste Nebendarstellerin) zu den beliebtesten Broadway Stars der Gegenwart. Sie überzeugte im Musical Flop "Carrie“ ebenso wie als Norma Desmond in "Sunset Blvd.“ (London und New York). Dazwischen arbeitete sie mit Harrison Ford und Roman Polanski ("Frantic“) und spielte in "Wyatt Earp“ an der Seite von Kevin Costner. Buckleys Stimme ist markant und sicher nicht jedermanns Geschmack. Ich bin mir sicher man könnte diese Stimme unter Tausenden herausfiltern. Ihre Klangfarbe ist sehr ungewöhnlich, eher dem Alt zuzuordnern als dem Mezzo, eher individuell als Mainstream. Für die breite Masse hat Buckley auch nie ihre Alben veröffentlicht und produziert. Highlights ihrer zahlreichen CDs sind für mich „The London Concert“, welche sie mit dem BBC Concert Orchestra aufnahm. Darauf enthalten ist eine (leider) gekürzte Version des Konzertes mit (u.a.) einer starken Version von „Rose’s Turn“ aus Gypsy (Step aside, Patti LuPone) und "Over You“ aus dem Film "Tender Mercies“, den sie mit Robert Duvall drehte. Der Song gewann eine Oscar Nominierung, wurde aber nicht auf dem Original Soundtrack des Films veröffentlicht. Eindrucksvoll beweist sie auf diesem Album, dass diese Einspielung lange überfällig war. Ein Sammlerstück ist mittlerweile die EP mit drei Aufnahmen aus „Sunset Blvd“, die aussschließlich im Theater erhältlich war und heutzutage gigantisch hohe Preise bei eBay erzielt.
Buckley arbeitet beim vorliegenden Album "Ah Men!“ mit Christian Jacob, Eric Stern und Eric Kornfeld zusammen. Buckleys Alben sind, je nach Gusto der Künstlerin, mal mehr, mal weniger jazzig. Das Konzept als solches, nämlich bekannten (und auch weniger populären) Stücken ein neues Gewand zu geben, geht hier voll und ganz auf. Mit "The Boys Of Broadway“ ist Buckley nach langer Zeit ein großer Coup gelungen. Nicht nur das Thema, Showtunes die für Männer geschrieben wurden zu singen, überzeugt, auch das gesamte musikalische Konzept ist stimmig. Auch wenn die Idee nicht neu ist (Linda Eder nahm beispielsweise mit „Broadway My Way“ ein thematisch identisches Album auf) passen die ausgewählten Songs perfekt und umschmeicheln auf das vortrefflichste Buckleys’ Stimme und ihr starkes Timbre. Jedem Song verleiht sie ihre eigene Note und die Arrangements klingen frisch und ungewöhnlich, aber immer überzeugend.
Erfreulich unkonventionell ist die Auswahl der Songs; unter ihnen "Venice“ aus "Elegies“ von William Finn und „Come Back To Me“ aus „On A Clear Day You Can See Forever.“ Selbst das altbekannte und unzählige Male aufgenommene "Maria“ aus „West Side Story“ klingt frisch. Diese Interpretation gelingt ihr so rührend, so zärtlich und gleichzeitig so stark, dass es eine wahre Freude ist. Mit "My Defenses Are Down“ aus "Annie Get Your Gun“ beweist sie abermals Geschick bei der Songauswahl. Buckleys Stimme hat sich im Wandel der Zeit kaum verändert und ist nach wie vor extrem stark und kraftvoll. Sie gönnt sich den Luxus loszulassen und wirkt so entspannt und gut aufgelegt wie lange nicht mehr. Besonders bei der jazzigen up-tempo Nummer „I Won’t Dance“ ist dies deutlich spür- und hörbar.
Jeder der von ihr gesungenen Titel, obwohl für Männer geschrieben, bleibt erfreulicher Weise unverändert im Original. So singt Buckley „I kissed a girl named Maria“ oder „I hand you like a brother“ Die Arrangements von Kenny Werner gewinnen eine neue, vielschichtige Ebene wie beispielweise „Hey There“ oder „Jet Song“. Weitere Anspieltipps sind Song On The Sand aus “La Cage Aux Folles” und "Luck Be A Lady" ("Guys and Dolls").
Einen ironischen Seitenhieb auf die männlichen, profilierten Rolle wie Jean Valjean, Tevje oder Max Bialystock setzt Buckley mit "A Hymn to Her“ adaptiert von “A Hymn To Him” aus „"My Fair Lady“ mit neuen Texten von Eric Kornfeld.Buckley spielt amüsant und gekonnt mit den Doppeldeutigkeiten und bemerkt augenzwinkernd in Anspielung auf „Spamalot“: „Who wouldn’t like a King Arthur who could actually sing?“
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